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Lismer, Strumpfweber und Dichter | ||
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Das Hochstudhaus auf der hinteren Kürze in Diessbach (Foto zvg) | ||
Teil I | ||
Das im Jahre 1785
erbaute Hochstud-Haus
auf
der hinteren Kürze in Diessbach weist eine interessante Geschichte aus.
Früher war es ein Doppelhaus mit zwei Wohnungen und einer gemeinsamen Küche
und mit einem Anbau ostseitig gegen den Wald zu. Ueber dem Anbau gab es
auch noch eine kleine Behausung. Bei einer umfassenden Renovation in den
1980er Jahren verschwand dieser Anbau. Mit einer behutsamen Renovation wurde
viel Schönes erhalten, so die sorgfältige Bearbeitung des Fensterbalkens
an der Südfront. Einzigartig ist die Bemalung der Büge bei der oberen Fensterreihe
südseitig. Die bestehenden, aufgemalten Jagdszenen sowie ein Spruch zum
Hausbau, allerlei Vögel und Blümchen an einer geschlängelten Ranke, sind
ein heute selten anzutreffender Hausschmuck. Früher bestanden die Fenster am Obergaden aus sogenannten
„Buzenscheiben“ mit sechs-eckigen Bleifassungen. Bei der südwestlichen Hausecke
befindet sich ein Sodbrunnen und die Terrasse besteht zum grossen Teil aus
„Aareplättli“. Die Pflästerer haben hier die Steine aus der Aare zu kunstvollen
geometrischen Figuren zusammengefügt. Die Erbauer des Hauses waren 1785 die Familien
der Gebrüder Bendicht, Klaus und Samuel Schneider. Ihrer Verwandtschaft
gehörte auch das Heimwesen auf der vorderen Kürze. Die Gebrüder Schneider betrieben das Strumpfweber-Handwerk.
Sie waren damit erfolgreich und kamen zu ansehnlichem Einkommen. Die Männer
strickten und woben damals die Strümpfe. Dieses Strumpfstricker- und Lismerhandwerk
war damals sogar obrigkeitlich reglementiert. Die Gebrüder Schneider hatten ihr Geschäft auf eine beachtliche Höhe gebracht. Ihre Ware fand Anklang und es gab immer mehr Besucher auf der Kürze, die sich die Masse für ihre Strümpfe direkt ab ihren Beinen vermessen liessen. Diese Besuche gaben dann auch Anlass zu Kurzweil mit frohem Beisammensein bei Musik und Tranksame. Die Gebrüder Schneider waren nämlich musisch begabt. Sie leiteten Gesangsvereine und dirigierten Musik-gesellschaften in der Gegend, so die Musikgesellschaften von Grossaffoltern und Schnottwil, Vereine, die damals schon bestanden. Daneben haben sie auch Musikstücke komponiert, Lieder geschrieben und vor allem Gedichte verfasst. |
In den 1970er Jahren habe ich von Vater Fritz Ruch sen. auf der vorderen Kürze davon Kenntnis erhalten. Die Familie Ruch hat das Heimwesen auf der vorderen Kürze 1892 von einer Familie Schneider käuflich erworben. Vater Ruch war im Besitze eines Liedes der Familien Schneider, das weiter unten noch näher beschrieben ist. Zu meinem Erstaunen stiess ich in der Stadt- und Universitätsbiliothek in Bern auf ein Büchlein mit ca. 70 Seiten mit dem Titel „Abschiedslieder der nach dem Staate Missouri in Nordamerika ausgewanderten Familie Schneider, von Diessbach bei Büren. Bern 1837. Gedruckt bei E.A. Jenni“. Auch bezüglich der Strumpfweberei der Familien Schneider stiess ich auf ein interessantes Dokument und zwar im „Schnyder-Buch“, also ein Buch über die Diessbacher-Burgerfamilien Schnyder. (Uttewil, Vom Hof und syne Lüt. Es Buech über d’Familie Schnyder. Von Emil Balmer. Buchdruckerei Büchler & Co., Bern, 1941). Auf Seite 102 lesen wir in einem 1815 von Bedicht Schnyder an seine Eltern geschriebenen Brief von einer Bestellung für Strümpfe bei Strumpfwebers auf der Kürze. Bendicht Schnyder war damals in Lausanne im Handelsgeschäft von Amadée Kohler in der Lehre. In einem Paket schickt Bendicht „44 Lot englischi Bouele. Zähe Lot, schriebt der Bänz, ghöri em junge Herr Chohler; me söll ihm bi Strumpfwäbers a der Chürzi dervo es Paar Strümpf lo mache, sächsfädig; es Muschter vom junge Herrs Strümpf syg im Päckli.“ Weiter schreibt Bendicht: „ich habe ihm diese Strumpfweberey sehr angerühmt, aus diesem Grunde bitte ich Euch ihnen zu befehlen diese Arbeit in aller Ordnung zu verfertigen…; wenn em Herr Chohler sys Paar Strümpf guet gmacht syg, so löj er de nahär no grad öppe 15 bis 20 Paar lo mache.“ © Peter Schneider
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Teil II (Schluss) | ||
Zurückkommend auf die erwähnte Dichtkunst der Kürze-Schneider entnehmen
wir dem erwähnten Buch in der Stadt- und Universitätsbiliothek in Bern
das nochfolgende Abschieds- lied: „Andenken an N.St. sel., N. von B., gewesenes Mitglied der Schnottwyler-Musik, welcher im Jahr 1835, im Jenner, an Kolik, oder an den Folgen eines Monats zuvor erhaltenen Stiches, ohne aller Rettung sterben musste. Zahlreiche Lieder in diesem Sinne sind im erwähnten Buch enthalten. Sie wurden den Angehörigen von Verstorbenen in unserer Region bis weit ins bernische Seeland hinein gewidmet (siehe Spalten 3+4). In den 1830er Jahren ging es den Familien Schneider auf der hinteren Kürze plötzlich nicht mehr gut. Sie mussten unvorsichtig eingegangene Bürgschaften bezahlen; es kam zum Geltstag (Konkurs) und zu Prozessen. Daher haben sie sich zur Auswanderung nach Nord-amerika entschlossen. Ihr Schicksal haben sie in verschiedenen Liedern zum Abschied aus ihrer Heimat festgehalten. Eines davon war - wie bereits oben erwähnt - Fritz Ruch sen. auf der vorderen Kürze noch bekannt. Bei einem Besuch hat er mir die Liedstrophen ausgehändigt und die Melodie gesummt. Gestützt darauf hat der damalige Dirigent des Kirchenchors Diessbach diese Melodie in Noten festgehalten. Sie befinden sich im Privatarchiv des Schreibenden. Der Liedtext lautet wie folgt: „Wir reisen nach Amerika. Der Wagen steht schon draussen vor der Tür, Mit Weib und Kinder ziehen wir. Die Pferde sind schon angespannt, Wir reisen in ein fernes Land. Lebt wohl ihr lieben Leute all; Leb wohl mein kleines altes Haus. Wir müssen euch nun verlassen, Schon geht’s zum Dorf hinaus. Wie war der Weg so schwer und lang, Uns war es auf der Fahrt so bang. Heimat, wie bist du doch so schön, Wir sagen dir: Auf Wiedersehn! Und als wir kamen in Basel an, Da ging es mit der Eisenbahn. Und als wir sahen das grosse Meer, Da wurde uns das Herz so schwer. Doch als das Schiff im Meere schwamm, Da stimmten wir viel Lieder an. Die halfen uns über Angst und Not, Ueber uns walte der Liebe Gott. Als wir kamen in New York an, Da trafen wir auch Schweizer an. Sie reichten uns zum Gruss die Hand Und fragten nach dem Vaterland.“ Noch bevor die Kürzi-Schneider-Familien auswandern konnten, waren noch Prozesse durch-zustehen. Nach dem Geltstag schenkte der Familie jemand aus der Verwandtschaft etwas Geld, welches zur Finanzierung der Auswanderung dienen sollte. Dies kam nun Johannes Schnyder, der beim erwähnten Geltstag zu Verlusten kam, zu Ohren. Das führte zu Klagen und Prozessen. Im bereits erwähnten Schnyder-Familienbuch sind die gerichtlichen Auseinandersetzungen auf mehreren Seiten nachzulesen. Schliesslich endete der Prozess nach mehreren Verhandlungstagen zugunsten der Kürzi-Schneider, die von Fürsprecher Niklaus Niggeler aus Ottiswil, Grossratspräsident und Freund von Bundesrat Jakob Stämpfli (Janzenhaus) hervorragend vertreten waren. Darauf schrieb der Sohn des Prozessverlierers, Johannes Schnyder, in die Familienchronik folgende Worte: „Ein sauberer Prozess gegen die Gebrüder Bendicht und Samuel Schneider und deren Vater, alle nach Amerika ausgewandert, hat gekostet Livres 295…Obige haben den Eid ge-schworen. Wie? das weiss Gott, und mein Vater hat alle Kösten bezahlen müssen.“ Es ist nicht wenig unterhaltsam, die ganze Prozessgeschichten im erwähnten Schnyder-Familienbuch nachzulesen. Das Haus auf der hinteren Kürze kam danach in die Hände eines Herrn Häni (genannt Arch-Häni). Das sei ein wohlhabender Mann gewesen und habe ich Diessbach mehrere Gebäude sein Eigen nennen können. Im Oberwald, an der Strasse gegen Scheunenberg, gehörte auch das sogenannten „Hängstemätteli“ dazu. Später erwarb Bendicht Moser, genannt „Talbänz“ die Liegenschaften, der sie seinen Nachkommen, der Familie Ernst Kunz, vererbte. In den 1980er Jahren kam es zum Verkauf des Hauses auf der hintern Kürze und zwar an Heinz Rothenbühler, der einen Druckereibetrieb in Biel besass. Durch Rothenbühler wurde das Haus sehr gut renoviert und erfreut heute noch alle Durchziehenden. Heinz Rothenbühler wiederum verkaufte die Besitzung dem heutigen Eigentümer Kuno Schär. Das gut erhaltene Haus ist eines der ältesten von Diessbach und von seiner Geschichte, ist hiermit einiges zusammenfassend festhalten. © by Peter Schneider, Dorfchroniker, Diessbach bei Büre |
Die süssen Freundschaftsstunden, Die uns so oft erfreut, Sind früh dahingeschwunden In’s Meer der Ewigkeit. Denn, ach! Von nun an sehen Wir dich, o Freund! nicht mehr In uns’rer Mitte stehen. Wie schmerzt es uns so sehr! Die Zeit, da uns hienieden Dein Daseyn Freuden schuf, Ist schnell von uns geschieden; Es wollt‘ ein höh’rer Ruf, Dass du geprüft durch Leiden, Vollendest deinen Lauf, Und zu Himmels Freuden Dein Gott dich nehme auf. Es kamen auch die Tage Der Prüfung wirklich an, Zur allgemeinen Klage, Zum Schmerz für Jedermann, Der diesen Jüngling kannte, Auch seine Leiden sah – Auch Aeltern und Verwandte So trostlos weinen sah, Es fühlten’s auch in grösster Angst und Bekümmerniss Die liebenden Geschwister, E sey nun gang gewiss Für seine grossen Leiden, Kein Arzt wohl mehr, als Gott, Es werde sie bald scheiden Der nahe bitt’re Tod |
Die Ahnung ist erfüllet, Die Trennungsstunde schlug; In Trauer eingehüllet Man ihn zu Grabe trug. So hat er nun vollendet, Der Gute - seinen Lauf, Gott hat sein Leid geendet, Sein Geist schwang sich hinauf. Dort, wo er frei von Mängeln, Des Leidens hier vergisst; Vereint mit tausend Engeln Die ew’ge Ruh‘ geniesst. Dort wird er auch, indessen Uns Trennung hier betrübt, Der Seinen nie vergessen, Die zärtlich ihn geliebt. Der, den wir heiss beweinen, War treu mit uns vereint, War der Trompeter Einer, Und unser Busenfreund; Der Liebling eines Jeden Aus dem Musikverein; Sein ehrbar Thun und Reden Wird unvergesslich seyn. Aus Allen den Mitgliedern, Die sein Verlust nun reut, Die bei Conzert und Liedern Sich oft mit ihm erfreut‘; Des Mitleids heisse Tränen Weih’n uns’re Herzen dir; In ungestilltem Sehnen Gedenken deiner wir.“ |
Anfangs des 19. Jahrhunderts wanderten neben vielen anderen
Europäern auch zahlreiche Deutsche nach Amerka aus |
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Es waren damals deren Viele, die unser Heimatdorf verlassen haben und im
fernen Amerika ein neues Auskommen suchten. Es waren harte und traurige
Zeiten, Eine leichte Ahnung bringt uns das nachfolgende Abschiedslied
der Dichterfamilie Schneider: „Zweites Abschiedslied für unsere Familie Schneider und Mitreisende: Dumpf ertönt am heut’gen Tag Uns der Scheideglocke Schlag; Tränen aus den Augen rinnen, Weil die Trennung thut beginnen; Tief bewegt ist unser Herz Von dem harten Trennungsschmerz. Nehmt’s uns nicht für über auf, Lasst dem Schicksal seinen Lauf! Gott, der alles kann regieren, Wird uns einst zusammenführen Da, wo kein Leid, keine Noth, Wo die Trennung nicht mehr droht. Teuergeliebte insgemein, Schickt euch nur geduldig drein! Lasst euch dies nicht so betrüben, Gleichwohl können wir uns lieben; Wenn Freundschaft in den Herzen brennt, So sind wir nirgendwo getrennt. Nun sey noch zu guter Nacht Dank euch allen darbebracht! Für die uns erwies’ne Liebe, Für die süssen Freundschaftstriebe Wird‘ euch Fried‘, Freud‘ Glück und Heil, Gottes Gnade einst zu Teil! Nun Adiö, lieb’s Schweizerland! Gottes milde Vaterhand Woll‘ in drohenden Gefahren All’zeit gnädig dich bewahren! Und dir helfen aus der Noth, Wenn dir Angst und Unglück droht!“ |
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